Tor nach Dresden

  • Die beiden ansehnlichen Backsteinbauten stammen vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Interessanter Jugendstil! Das frühere Maschinenhaus sieht aus wie eine Kirche (siehe Foto oben links), ist es aber so wenig wie die Moschee von Ludwig Persius in Potsdam: auch ein hübscher Backsteinbau, aber in gelb (siehe Foto rechts unten). Er lieferte die Kraft für die Fontänen von Sanssouci. Auch in diesem Punkt haben Senftenberg und Potsdam also etwas gemeinsam.
  • Früher war Senftenberg eine Festungsstadt. Bis heute ist die Anlage mit vier Bastionen zu bewundern, sogar neuerlich wieder sehr artig hergerichtet: ein Erdwall in neuitalienischer Manier. Im Siebenjährigen Krieg sollte er Dresden gegen dessen Feinde aus Preußen verteidigen, was schmählich misslang. Die Festung wurde von Friedrichs Truppen entsetzt, die Kanonen gingen nach Peitz. Der Schutz für Dresden war gleich Null. Friedrich konnte ungehindert durchmarschieren. Seine Geschütze bombardierten sogar die Frauenkirche, die aber standhielt.
  • An diese Geschichte könnte man rein atmosphärisch anschließen, indem man etwa die Straße zwischen den beiden Kathedralen zu einem repräsentativen Platz erweitert und ihn, warum nicht, 'Dresdner Torplatz' nennen würde. Was sich schon deshalb anböte, weil es sich um die Ausfallstraße nach Dresden handelt. Architekturstudenten aus Hamburg haben längst verlockende Pläne dazu ausgearbeitet. Sie lagern in den Archiven des Rathauses und harren der Umsetzung.
  • Auf diese Weise könnte Senftenberg an seine alte Beziehung zu Dresden erinnern. Zugleich wäre der Platz ein Gegenstück zum neuen Hafen der Stadt. Zum See hin arbeitet Senftenberg an seinem Zukunftsbild und unterstützt den für das städtische Wohl so notwendigen Tourismus. Bei den beiden Industriekathedralen dagegen konserviert es ein Stück alter Geschichte in zeitgemäßer Form und hält so Verbindung zu seiner nicht unrühmlichen Vergangenheit.

Neue Bühne Senftenberg

  • Im Uhrenturm der Waschkaue (siehe Foto oben rechts) befanden sich ursprünglich zwei Glocken, die zur vollen und zur halben Stunde läuteten. Das taten sie bis zur Wende 1989, also fast ein ganzes Jahrhundert lang. Mit der Stilllegung des Bergbaus verstummten sie. Bis der technische Direktor der Neuen Bühne, Axel Tonn, im Sommer 2004 die zündende Idee hatte, sie auszubauen und vor dem Theater aufzustellen. Er wollte damit an die Bergarbeiter erinnern, für deren Unterhaltung die alte Bühne verantwortlich war.
  • Der neu ernannte Intendant, Sewan Latchinian, fand die Idee so ansprechend, dass sie nach der Zustimmung der dem Bund als Eigentümer unterstehenden 'Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau Verwaltungs GmbH' (LMBV) Realität werden konnte. Zwischen den beiden Institutionen wurde ein Vertrag geschlossen, der festlegt, dass die beiden Glocken vom Theater bis zu einer neuen Indienstnahme der Waschkaue in Verwahrung genommen werden.
  • Die einzige Abweichung von der Idee Tonns besteht in der Art der Anbringung der Glocken. Sie befinden sich nicht vor dem Theater, wie ursprünglich geplant, sondern auf dem Dach (siehe Foto rechts oben). Dort läuten sie seit nunmehr acht Jahren besondere Vorstellungen ein. Das sind außer den einzelnen Premieren vor allem die sogenannten 'Glück-Auf-Feste' zur Saisoneröffnung im Herbst. Mit gleich mehreren Premieren an einem Abend sind sie so spektakulär geworden, dass die Neue Bühne inzwischen zu überregionalem Ruhm gelangt ist. Unter anderem wurde sie einmal neben drei weiteren Bühnen der Bundesrepublik zum besten Theater des Jahres gewählt. Und die Glocken sind zu seinem Wahrzeichen geworden.
  • Es ist nicht so, dass die Leitung der Neuen Bühne auf diesen Glocken säße. Im Gegenteil. Zum 'Glück-Auf-Fest' 2011, wo der 'Jedermann' von Hoffmannsthal gegeben wurde, hat man im Vorfeld lange Zeit versucht, wenigstens eine der beiden Kathedralen als Aufführungsort zu gewinnen. Dazu eignet sich die ehemalige Kraftzentrale (Bild oben links) besser als die Waschkaue, weil der von den Kraftmaschinen beräumte Bau neben einem imposanten Saal auch noch über eine Art Bühne mit Empore verfügt. Unter der alten Intendanz traten schon einmal Schauspieler der Neuen Bühne dort auf, um ein paar Szenen aus dem 'Faust' zu spielen. Diesmal scheiterte die Sache jedoch letztlich an den Kosten für Sicherheitsvorkehrungen.

Mäzen gesucht

  • Intendanz und technische Direktion des Theaters geben die Bemühungen um die markante Spielstätte keineswegs auf, verweisen aber auf die Notwendigkeit von Fördermitteln, ohne die ein neuerlicher Versuch von vornherein erfolglos wäre. Die finanziellen Möglichkeiten der Neuen Bühne sind zu begrenzt, als dass sie die Herrichtung einer solchen Spielstätte alleine stemmen könnte. Andererseits ist im Budget der LMBV kein Posten für 'Theater' vorgesehen. Das wird sich auf absehbare Zeit gewiss nicht ändern.
  • Um die beiden Bauten so instand zu setzen, dass sie auf breiter Basis genutzt werden können, bedarf es erheblicher Aufwendungen, wobei der Erwerb der denkmalgeschützten Gebäude kaum ins Gewicht fiele. Die kostenintensiven Arbeiten beginnen im Innern. Das Ganze ist ein Millionenobjekt. Ohne einen vermögenden Förderer ist gar nichts zu machen. Allerdings liegen bereits diverse Veranstaltungskonzepte vor, die eine Investition nicht aussichtslos erscheinen lassen. So eignet sich etwa die Waschkaue als Dach für Unternehmensgründungen, start-ups etc.. Und die Kraftzentrale bietet sich geradezu als ausgefallener Kulturtempel an.
  • Die Alternative mag man sich nicht vorstellen: Bei anhaltender Nicht-Nutzung sind die beiden Kathedralen weiterem Verfall preisgegeben. Mit ihnen würde eine stolze geschichtliche Epoche der Stadt komplett in Vergessenheit geraten. Die Vergangenheit stünde auf dem Spiel. Und die Zukunft stünde auf wackligeren Füßen. Als ohnehin zu schützende Denkmäler haben die letzten verbliebenen Bauten des Bergbaus ein besseres Schicksal verdient.

Johan-Hus-Passionsspiele (JHP)

  • Der folgende Wettbewerbsbeitrag fasst die obigen Erläuterungen noch einmal zusammen und bringt sie auf den neuesten Stand.*

    Von der Kraftzentrale zur Passionskirche.pdf (1,8 MiB)

    * Am 14. Juni 2023 wurden die Gewinner ermittelt. Leider war unser Wettbewerbsbeitrag nicht darunter. Auslober des Wettbewerbs ist das BMWSB (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen)